Zukunftskonzept zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung im Kreistag vorgestellt
Das Ergebnis vorweg: Die ambulante und stationäre medizinische Versorgung im Landkreis Cochem-Zell wird auch zukünftig gesichert sein. Zudem konnte die kurzfristige Schließung beider Krankenhäuser verhindert werden. Den Beteiligten ist es in einem monatelangen Verhandlungsprozess gelungen, ein tragfähiges, bedarfsgerechtes und zukunftsgerichtetes Versorgungskonzept für den gesamten Landkreis Cochem-Zell zu entwickeln, das nun in die konkrete Umsetzung gehen kann, auch wenn naturgemäß noch einige Fragen offen sind.
Landrätin Beilstein ist froh, dass die seit Amtsbeginn auf ihre Initiative hin geführten, komplexen Gespräche und Verhandlungen unterm Strich zu einem Erfolg geführt haben, die Schließung von gleich zwei Krankenhausstandorten verhindert werden konnte und nun ein konkretes Ergebnis zur Diskussion steht.
Vorstellung der Konzeptidee
Die gemeinsam von den beiden Krankenhausträgern und mit den Kostenträgern abgestimmte Konzeptidee sieht eine Bündelung und Stärkung des Krankenhausstandortes Cochem und den Ausbau des ambulanten Angebotes im MVZ Mittelmosel zu einem Gesundheitszentrum in Zell vor. Die Notfallversorgung soll sektorenübergreifend sichergestellt werden. Das Konzept trägt dem sich verändernden Versorgungsbedarf, u. a. auch dem verstärkten Trend zur Ambulantisierung, Rechnung. Zusätzlich zu aufeinander abgestimmten ambulanten und stationären Angeboten werden künftig auch telemedizinische Angebote in ein Gesamtkonzept eingebunden. In dieser Form wird beispielsweise das Marienkrankenhaus Cochem zukünftig an eine höhere oder spezialisiertere Versorgungsstufe angebunden. Digitale Patientenüberleitung, eine elektronische Patientenvisite und die telemedizinisch unterstützte Delegation ergänzen das Angebot. Darüber hinaus wird das Versorgungsangebot noch weiter an den Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung ausgerichtet.
Geplante Änderungen im MVZ
Das MVZ Mittelmosel in Zell wird zu einem modernen Gesundheitszentrum ausgebaut. Die Personalkapazitäten sollen, beispielsweise durch die Schaffung von 4,5 zusätzlichen Arztsitzen, deutlich erhöht werden. Daneben sollen auch neue Angebote im Bereich Kurzzeitpflege, eines Hospizes, eines ambulanten Palliativangebots entstehen und die Kapazitäten in den Bereichen Kardiologie, Radiologie, Allgemeinmedizin und Anästhesie deutlich erweitert werden. Die BG-Sprechstunden werden ebenfalls ins Gesundheitszentrum verlagert. Komplementiert wird das Angebot durch ein ambulantes OP-Zentrum und ein sehr breites Angebot an verschiedenen Fachdisziplinen, die neben Kardiologie, Radiologie und Anästhesie auch Allgemeinchirurgie, Gefäßchirurgie, Unfallchirurgie, Gynäkologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Gastroenterologie, Neurologie, Psychotherapie/Psychiatrie und Pädiatrie umfassen. Zudem beinhaltet das neue Gesundheitszentrum auch ein ambulantes Physiotherapiezentrum, eine Anlaufstelle für ambulante Notfallpatienten und eine Anbindung von externen Partnern (z. B. Dialyse, Urologie, Augenheilkunde, Kinderheilkunde, Ergotherapie).
Weitere Verwendung des Herz-Katheter-Labors
Besonders erfreulich ist, dass das erst im 1. Halbjahr 2024 neu in Betrieb genommene Herz-Katheter-Labor weiter zur Verfügung stehen und für die ambulante Diagnostik genutzt werden soll. Die Öff-nungszeiten sollen stärker am Patientenaufkommen orientiert und werktags bis 22 Uhr erweitert werden. Außerhalb dieser Zeiten soll es eine Kooperation mit dem Marienkrankenhaus Cochem zu optimalen Versorgungszuordnung und zudem mit umliegenden Krankenhäusern geben.
Überarbeitung Konzept für die Notfallversorgung
Mit der Vorstellung des Zielbildes und des Konzeptentwurfs im Kreistag beginnt nun ein Transformationsprozess, bei dem die bisherigen Strukturen in den nächsten 8 – 10 Monaten in die geplanten Strukturen überführt werden. Parallel soll auch das bestehende Konzept für die Notfallversorgung geprüft und auf die neuen Strukturen angepasst werden. Als kurzfristige Maßnahme kündigte Gesundheitsminister Hoch in der Kreistagssitzung an, einen zusätzlichen Rettungswagen zur Verfügung zu stellen.
Stellungnahme von Frau Landrätin Beilstein
Landrätin Beilstein nimmt Stellung: „Wir stehen erst am Beginn eines Transformationsprozesses, der die gesamte medizinische Versorgung im Landkreis Cochem-Zell in zukunftsfähige, bedarfsgerechte und wirtschaftlich tragfähige Strukturen überführen wird. Der nun vorgestellte Konzeptentwurf bedingt aber auch eine Überprüfung und Anpassung der Notfall-versorgung, der wir uns jetzt parallel im nächsten Schritt stellen werden. Ziel muss es auch sein, die Patientenzuordnung besser zu steuern, sodass jeder Patient der für ihn optimalen Versorgungsstruktur zugeführt werden kann. Dies sichert eine gute Behandlungsqualität und vermeidet die fehlerhafte Inanspruchnahme von Ressourcen.“ Darüber hinaus stellt sie klar: „Die akute Notfallversorgung hat höchste Priorität und muss auch weiterhin gewährleistet werden, dem werden wir uns stellen“.
Damit endet auch eine wochenlange öffentliche Spekulation, denn keine Frage bewegte die Menschen im Landkreis Cochem-Zell, insbesondere im „Zeller Raum“, in den letzten Wochen so sehr, wie die Frage über die Zukunft der beiden Krankenhäuser. Dabei ist die stationäre Versorgung, wie dargestellt, nur ein wichtiger Baustein zur kreisweiten Sicherstellung der medizinischen Versorgung insge-samt.
Vor dem Hintergrund des chronisch unterfinanzierten Gesundheitssystems, der anstehenden Krankenhausstrukturreform und der wirtschaftlich angespannten Situation beider Krankenhäuser bestand dringender Handlungsbedarf, die bestehenden Strukturen zu überprüfen und zukunftsfest anzupassen.
Stellungnahme von Frau Landrätin Beilstein
Landrätin Beilstein hatte bereits zu Beginn ihrer Amtszeit deutlich gemacht, dass die Sicherstellung der medizinischen Versorgung höchste Priorität für sie hat. Daher suchte Sie bereits unmittelbar nach ihrem Amtsantritt im November 2023 das Gespräch mit beiden Krankenhausträgern, nachdem sie Kenntnis von den wirtschaftlichen Problemen bekam. Schnell konnte Sie den Gesprächskreis um die verantwortlichen Kostenträger, das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz und die Krankenkassen erweitern sowie später auch die Kassenärztliche Vereinigung in die Gespräche einbinden. Ziel war es, kurzfristig ein modernes, zukunftsfähiges Versorgungskonzept zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung im gesamten Landkreis Cochem-Zell zu erarbeiten.
Dabei galt es vor allem folgende Fragen zu beantworten
- Wie sieht eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung in Zukunft aus?
- Wie kann dem Trend hin zu mehr „Ambulantisierung“ und den dadurch sinkenden stationären Patientenzahlen Rechnung getragen werden?
- Welche Behandlungsbedarfe entstehen durch die demografische Entwicklung?
- Wie können die geringe Auslastungsquote beider Krankenhäuser verbessert und Überkapazitäten vermieden werden?
- Wie kann eine qualitative hochwertige Notfallversorgung zukünftig gesichert werden?
- Welche Konsequenzen ergeben sich aus der geplanten Krankenhausstrukturreform?
- Wie kann die Patientensteuerung (ambulant / stationär) verbessert werden?
- Wie kann das zunehmende Fachkräfteproblem gelöst werden?
- Kann der Landkreis über ein finanzielles Engagement (z. B. im Rahmen einer gemeinsamen Trägerschaft) eine Zukunftslösung unterstützen und ermöglichen?
- Besteht seitens des Landes Bereitschaft, den enormen „Sanierungsstau“ im Klinikum Mittelmosel durch entsprechende Investitionen zu beseitigen?
- Wie kann der „Worst-Case“, ein Verlust beider Krankenhausstandorte, verhindert werden?
Konzepterstellung bedarf einem höchst vertraulichen Prozess
Die Konzepterstellung war ein höchst sensibler Prozess, sodass von allen Beteiligten eine strikte Vertraulichkeit vereinbart wurde. Dies war alternativlos, alleine schon, um mögliche Zukunftsoptionen zunächst in einem geschützten Raum entwickeln, zu diskutieren, anzupassen und final klären zu können. Andernfalls hätten öffentliche Schließungsdiskussio-nen ohne Grundlage nicht vermieden und damit faktische Folgen ausgelöst werden können. Anders als in vielen anderen Landkreisen ist es über diese Vor-gehensweise gelungen, eine kurzfristige Liquiditätssicherung beider Krankenhäuser zu vereinbaren, sodass ein Weiterbetrieb beider Krankenhäuser bis Ende 2024 ermöglicht werden konnte. Eine kurzfristige sog. „kalte Strukturbereinigung“ mit dem Verlust beider Krankenhäuser konnte dadurch verhindert werden, was zweifelsohne ein erster Erfolg der Gespräche und Verhandlungen war.
Folgen der Informationsverbreitung
Nachdem nach rd. 8,5 Monaten nach einer Veränderung des Gesprächskreises dann doch von einem Beteiligten die Vereinbarung gebrochen und Informationen an die Presse durchgestochen wurden, kam es bereits zu faktischen Folgen (Kündigung von Mitarbeitern, Rückzug von Stellenzusagen, Patientenrückgang, Weigerung von Handwerkern, Arbeiten ohne Vorkasse durchzuführen), die die laufenden Gespräche und Verhandlungen gefährdeten. Dieser Vorgang hat bestätigt, wie wichtig die Vertraulichkeit war, um ein bestmögliches Verhandlungsergebnis erreichen zu können!
Wie ist das nun vorliegende Konzept insgesamt zu bewerten?
Unter dem Strich und mit Blick auf gesicherte nachhaltige Strukturen ganz klar positiv, auch wenn die Schließung eines stationären Standortes schmerzt und noch einige Fragen offen sind. Beide Krankenhausträger werden auch zukünftig in Cochem und Zell Leistungen anbieten, das Leistungsportfolio wird an die veränderten Versorgungsbedarfe angepasst, der Krankenhausstandort Cochem wird gestärkt, sodass hier wieder ein ausgeglichenes Wirtschaften ermöglicht wird, in Zell entsteht ein modernes Gesundheitszentrum mit einem medizinischen Leis-tungsangebot, das weiter über das übliche
Angebot eines normalen MVZ hinausgeht und freiwerdende Fachkräfte können für neue Angebote wie z. B. die Kurzzeitpflege genutzt werden.
Natürlich wäre es aus Kreissicht wünschenswert gewesen, beide Krankenhausstandorte in unveränderter Form zu erhalten, was allerdings völlig unrea-listisch und unter den geschilderten, schwierigen Rahmenbedingungen nicht realisierbar war. Selbst ein eigenes finanzielles Engagement wäre nicht zielführend gewesen, wurde von beiden Krankenhausträgern abgelehnt und hätte im besten Falle nur ein „Sterben auf Raten“ bedeutet. Ohne Neustrukturierung gibt es keine Zukunft bzw. gar keine stationäre Krankenhausversorgung mehr, dies war ein unumstößlicher Fakt!
Erneute Beratung der Thematik in der nächsten Kreistagssitzung am 07. Oktober 2024
Nach der umfangreichen Erstinformation in der Sondersitzung des Kreistages am 10. September 2024, bei der alle Experten (beide Krankenhausträger, Gesundheitsministerium, Landesarbeitsgemeinschaft der Krankenkassen als Kostenträger, Kassenärztliche Vereinigung) die Sachlage aus ihrer Sicht schilderten sowie Rede und Antwort standen, wird die Thematik bei der nächsten Kreistagssitzung am 7. Oktober 2024 erneut aufgerufen werden, damit der Kreistag den Konzeptentwurf bewerten kann.
Nachfolgend die wichtigsten Fragen und Antworten: